19. Juni 2014

Rezension zu "Anna im blutroten Kleid" von Kendare Blake


|  Autorin: Kendare Blake  |  Preis der Taschenbuchausgabe: 8,99 €  | Seiten: 384  |  Verlag: Heyne fliegt  |  Originaltitel: Anna Dressed in Blood  |  Erster von bisher zwei Teilen einer Reihe  |



Geister gibt es wirklich - und es gibt den, der sie jagt. Cas Lowood ist siebzehn Jahre alt und bleibt nie besonders lange an einem Ort, denn seine Hobbies unterscheiden sich ein bisschen von denen anderer Siebzehnjähriger: Zusammen mit seiner Mutter, einer wahrsagenden Wicca, fährt er kreuz und quer durch Amerika, stehts auf der Suche nach Geistern, die er aufspüren und aufhalten kann - was für gewöhnlich bedeutet, sie mit seinem Athame, einem Spezialmesser, noch einmal umzubringen. Doch als er auf den Spuren von Anna Korlov, die in den Fünfzigerjahren auf dem Weg zu einem Schulball brutal ermordet wurde und jetzt verdächtigt wird, für das Verschwinden vieler Menschen verantwortlich zu sein, in die Kleinstadt Thunder Bay gelangt, laufen die Dinge nicht ganz nach Plan - und seltsame Zufälle häufen sich...



Mit "Anna im blutroten Kleid" wollte ich es nochmal mit einem Buch versuchen, dass in Richtung Jugendbuch-Horror-Genre geht, nachdem "Fürchte nicht das tiefe blaue Meer" mich neulich ziemlich enttäuscht zurückgelassen hat. Und was soll ich sagen - "Anna im blutroten Kleid" hat mich nicht enttäuscht. Ganz und gar nicht.
Das Cover passt zur Geschichte; so ähnlich habe ich mir das blutbefleckte Ballkleid vorgestellt, dass Anna ihren Namen gibt, und genau so habe ich mir das alte Haus vorgestellt, in dem ihr Geist umgeht.
In die Geschichte hineinzufinden, fiel mir sehr leicht. Direkt auf der ersten Seite lernt man den siebzehnjährigen Cas kennen, der die Geschichte in Ich-Form und Gegenwart erzählt und von seinem Leben als Geisterjäger erzählt, wie andere von einem Kinobesuch erzählen. Ich fand die Idee mit den Geistern sehr gut, die in diesem Buch nicht nur schwache Abbilder von ehemals lebendigen Menschen sind, sondern greifbare Wesen, die auf Rache für ihren Tod sinnen. Cas erzählt sowohl von seinem Leben, das daraus besteht, hin- und herzureisen, Informationen zu sammeln und dann Jagd auf Geister zu machen, als auch von seiner Vergangenheit sowie verschiedenen Geistern, mit denen er es bereits zu tun hatte.

Was ich an Cas, der mit vollem Namen Theseus Cassio Lowood heißt, am meisten mochte, ist sein Sarkasmus. Er denkt nie schwarzmalerisch, sondern bewahrt sich immer eine gewisse Ironie. Außerdem hat er ein großes Selbstvertrauen, ohne angeberisch oder überheblich zu wirken - er glaubt einfach fest daran, dass er diesen Auftrag zuende bringen kann und wird, komme was wolle. Trotzdem ist er kein perfekter Charakter, der auch seine schwachen Momente hat, in denen ihn Angst oder Selbstzweifel überkommen. 
Cas ist eigentlich eher ein Einzelgänger - doch in Thunder Bay muss er sich mit anderen zusammentun, um zu überleben und zu bestehen.
Als erstes freundet er sich mit Carmel an, der von ihm so betitelten "Schulkönigin, die jede Schule hat; dem Mädchen, dass alles weiß und alle kennt" (S.50). Carmel ist zwar diese Schulkönigin, zu der alle irgendwie heraufblicken, aber auch sie ist kein bisschen arrogant, sondern vielmehr neugierig, offfen und hilfsbereit. Ich fand das faszinierend, wie die Autorin ihren Charakter so gestaltet hat und wie sie trotzdem noch authentisch wirkte.
Dann lernt Cas Thomas kennen, der Gedanken lesen kann und einen Okkultisten als Großvater hat. Thomas wirkte am Anfang wie ein Jammerlappen und eine Nervensäge auf mich, aber später wurde er mir immer sympathischer. Er hilft und unterstützt Cas und rettet ihm mehr als einmal das Leben.
Cas' Mutter ist auch ein etwas spezieller, aber sympathischer Charakter. Sie ist eine Wicca, handelt mit Wahrsagekerzen und experimentiert viel mit Kräutern herum. Das Einzige, was mich etwas irritiert hat, war, dass Cas zwar oft behauptet hat, seine Mutter mache sich zu viele Sorgen um ihn, sie mir aber manchmal ziemlich... desinteressiert? vorkam.
Aber mein Lieblingscharakter war neben Cas definitiv Anna. Auch wenn sie ein Geist ist, der im Buch einmal einen Menschen in zwei Teile reißt, mochte ich sie irgendwie sofort und fand es interessant, die Wandlungen zu beobachten, die sie im Verlauf der Geschichte durchmacht. Als ihre Vergangenheit, ihr Tod und die Umstände ihres Geist-Seins ans Licht kamen, fand ich es einfach nur schrecklich und hätte Anna am liebsten da rausgeholt und ihr irgendwie geholfen.

Kendare Blakes Schreibstil fand ich faszinierend und erschreckend zugleich. Sie hat die Geschichte wirklich so geschrieben, wie ich mir vorstelle, wie Cas sie miterlebt haben könnte. Sie verzichte auf blumige Metaphern, die in echt wahrscheinlich kaum ein Siebzehnjäriger denken oder sagen würde, und doch wirkt ihr Schreibstil nicht kalt oder undetailliert, sondern einfach sehr authentisch. Sie verwendet oft Anspielungen (wie z.B. Ghostbusters) und Witze und schafft es, von einer Stimmung in die nächste überzblenden, ohne dass es holperig oder abgehackt wirkt. Dabei beschreibt sie auch unterschiedliche Atmosphären großartig, denn davon gibt es im Buch eine ganze Menge: von fröhlich und ruhig bis zu aufgewühlt und beängstigend. Vor allem für beängstigend oder auch gruselig und eklig sollte man gewappnet sein, denn die Autorin ist nicht zimperlich, wenn es beispielsweise um Beschreibungen von Verletzungen, Leichen oder den Geistern und ihren Tricks selbst geht.
Das Ende war für mich auch ein großer Pluspunkt, denn die Autorin hat es geschafft, mich erst auf die falsche Fährte zu führen und dann umso heftiger zu überraschen. Das Ende ist allerdings kein Happy End und es lässt eine Menge Fragen offen, die mich gespannt auf den zweiten Teil gemacht haben.




Es gibt nichts, was mich an "Anna im blutroten Kleid" genervt hat. Es hat bei mir nur nicht diesen Bäng-Lieblingsbuch-Effekt hinterlassen, für den die 5-Sterne-Bewertungen reserviert sind. Aber ansonsten fand ich an dem Buch einfach alles stimmig: die Geschichte von Cas, der Geister jagt; Cas selbst, der zwar selbstsicher, aber nicht arrogant ist; die großartigen Nebencharaktere (allen voran Anna) und der tolle, authentische, bildhafte, aber manchmal auch heftige Schreibstil von Kendare Blake. Wenn ihr gruselige Geschichten mögt, die euch die Spezialeffekte förmlich ins Gehirn projizieren, dann ist das hier DAS Buch für euch; allerdings solltet ihr auf einiges an Blut und Uähh-Momenten gefasst sein. Von mir bekommt "Anna im blutroten Kleid" 4,5 von 5 Sternen.

12 Kommentare:

  1. Manchmal hat man echt nichts auszusetzen, und da fehlt trotzdem wie du sagst der "Bäng-Effekt" xD Und manchmal da findet man in Büchern trotzdem nicht absolut alles toll, ist aber trotzdem eines deiner Lieblingsbücher. Ziemlich komisch :) EIGENTLICH mag ich so richtig gruselige Bücher nicht, haha, aber das Buch hört sich so an, als könnt's mir gefallen. Außerdem sieht das Cover so schön aus! Und ja! Ich fand Fürchte nicht das tiefe blaue Meer auch relativ schlecht ._.

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    1. Ja, genau, das mit den Lieblingsbüchern, an denen man nicht alles gut findet, kenne ich auch :)
      So richtig gruselig ist es nur an manchen Stellen, ansonsten setzt die Autorin eher auf Spannung als auf Grusel. Das Cover mag ich auch total :)
      Fürchte nicht das tiefe blaue Meer fand ich so richtig besch...euert, einfach nur mies.

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  2. das klingt ja wirklich sehr gut, merke ich mir mal

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  3. So gehts mir bei Büchern auch hin und wieder, ich hab nichts wirklich auszusetzen und es war super zu lesen aber irgendwas, iiirgendwas hat da gefehlt. Und da finde ich es unfair, die selbe Bewertung zu geben, die ich einem total flashigen Buch geben würde. Deshalb dann immer 4 Sterne :) Ich wüsste aber gar nicht, ob ich die Fortsetzungen lesen sollte (werden wahrscheinlich eh nicht übersetzt, wie's aussieht?). Das ist schon so lang her!

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    1. Ich meine auch, gesehen zu haben, dass der nächste Band nicht übersetzt wird. Aber ich habe den gestern in einem Neuzugängepost gesehen und der sah so toll aus - ich glaube, ich werde auf Englisch weiterlesen.
      Ich finde einfach, dass die volle Punktzahl wirklich nur für die Bücher sein sollte, die man so richtig superobermegagut findet - deswegen 4,5 von 5 Sternen.

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  4. Ich möchte auch mal einen Ausflug in den Horror-Bereich machen und nach deiner Rezension klingt das Buch nach einem potenziellen Kandidaten für diesen Ausflug. Allerdings wusste ich gar nicht, dass es eine Reihe ist - ist das Ende denn eher offen oder eher abgeschlossen?
    Tolle Rezension! ♥
    Ich kenne dieses Es-ist-zwar-toll-aber-es-haut-mich-nicht-um-Gefühl und deswegen habe ich eine 6-Sterne-Bewertung. xD

    Ganz liebe Grüße ♥

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    1. Das Ende ist irgendwie beides - es ist zwar kein abgeschlossenes Ende, aber dieser Teil der Geschichte hat sein Ende erreicht. Ich weiß auch nicht so richtig. Das Ende ist kein großer Cliffhanger, aber irgendwie ist es nicht vorbei.
      Es ist auf jeden Fall ein Kandidat für einen solchen Ausflug. Ich wollte auch keinen richtigen Horror (z.B. Stephen King oder so) lesen, deswegen habe ich mich nach Horror-Jugendbüchern umgehört und dieses hier ist wirklich sehr gut :)

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  5. Uh tolle Rezension :)
    Das Bust steht auch auf meiner Wunschliste und soll mir gefälligst zum Geburtstag geschenkt werden xD
    Ich mag so düstere, horrormäßige Bücher. Es hört sich sehr gut an.

    Liebe Grüße ♥

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    1. Danke :)
      Ich will auch Geburtstag haben, und zwar bald. Aber bei mir dauert das noch eeeewig.
      Ich ab und an auch - die sind immer eine nette Abwechslung von Fantasy oder Dystopien, und "Anna im blutroten Kleid" fand ich wirklich gut.

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  6. Ich habe dieses Buch selbst erst vor ein paar Tagen zu Ende gelesen und war ebenso begeistert <3 Ich kann deiner tollen Rezension nur zustimmen. Wirklich toll geschrieben. Alles auf den Punkt gebracht :D

    <3 Nadine

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